Der neue globale Pandemievertrag der Weltgesundheitsorganisation, der noch nicht ratifiziert ist, verpflichtet die Mitgliedstaaten zur Notfallzulassung von Impfstoffen sowie zur "Informationskontrolle", sprich: Zensur. (…)
Damit wird der Pandemievertrag zusammen mit den im Juni 2024 geänderten Internationalen Gesundheitsvorschriften (IGV), das internationale Pandemierecht sowie die globale und nationale Pandemiepolitik weiter militarisieren. (…)
Das bedeutet im Einzelnen:
Krankheitserreger und (kranke) Menschen können als "biologische Risiken" gelten, deren Auftauchen einen (internationalen) "Gesundheitsnotstand" darstellt. Daher müssen sie durch Gegenmaßnahmen wie Lockdowns und andere soziale Kontrollmaßnahmen, durch biomedizinische Überwachung, Informationskontrolle und Massenimpfkampagnen mit notfallzugelassenen "Pandemieprodukten" rasch kontrolliert und bekämpft werden. Um das sicherzustellen, sind ständige und umfassende Bioüberwachungsmaßnahmen unvermeidlich. Durch das zugrunde liegende "One-Health"-Konzept kann auch die Schnittstelle Mensch-Tier-Umwelt mit möglichen Übertragungen von einer Spezies zu anderen einbezogen werden.
Die Ergebnisse der Überwachungstätigkeiten müssten unter Umständen an die WHO weitergeleitet werden. Dies kann dann dazu führen, dass der WHO-Generaldirektor und ein von ihm eingesetzter Notfallausschuss einen Gesundheitsnotstand von Internationaler Tragweite (PHEIC, "public health emergency of international concern") unter den IGV ausruft. Dies wiederum ermöglicht es dem Generaldirektor, den Staaten weitreichende Empfehlungen zu Gegenmaßnahmen zu geben. Dies ist beispielsweise während des Covid-19-PHEIC geschehen.
Aufgrund der o.g. Überwachungstätigkeiten ist es zu erwarten, dass in Zukunft weltweit sehr viel mehr Erreger mit (angeblichem) Pandemiepotential aufgespürt werden. Dies kann zu gehäufter Ausrufung neuer PHEICs und Pandemien führen. Darüber hinaus ist es nicht ausgeschlossen, dass die aufgefundenen Erreger in umstrittene Gain-of-function-Forschungsprojekte fließen.
Des Weiteren verlangt der neue Pandemievertrag den Auf- und Ausbau von Kapazitäten für Forschung und Produktentwicklung in Sachen Pandemiebekämpfung – finanziert durch staatliche Mittel oder öffentlich-private Partnerschaften und möglichst schnell einsetzbar. Ein Beispiel dafür ist die 100-Tage-Initiative von CEPI (Coalition for Epidemic Preparedness Innovations), die darauf abzielt, in Zukunft im Falle eines Gesundheitsnotstands Impfstoffe innerhalb von 100 Tagen zu entwickeln, notfallzuzulassen und global zu produzieren.
Rasche Notfallzulassungen brauchen einen regulatorischen Rahmen im nationalen Recht, was aber zu einer Aufweichung von hart erkämpften medizinrechtlichen Standards führen kann - wenn nicht sogar zur Verabreichung von Medizinprodukten, die von der WHO selber über ihr Emergency-Use-Listing-Verfahren eine globale De-facto-Notfallzulassung erhalten haben. Und dies ist ein Verfahren mit sehr niedrigen Anforderungen an pharmazeutische Unternehmen hinsichtlich klinischer Studien - und sehr großen Ermessensspielraum für die WHO und ihre Expertenkomitees.
Auf Ebene der WHO etabliert der Pandemievertrag das "Global Supply Chain and Logistics Network" (GSCL-Network; Supply-Chain=Lieferkette) für "Pandemieprodukte". Damit wird der WHO eine neue Rolle als globale Beschaffungs- und Vertriebsbehörde für diese Produkte gegeben.
In Sachen "Risikokommunikation" und "Informationskontrolle" ist der Pandemievertrag unbedingt zusammen mit den Änderungen der IGV vom Juni 2024 zu lesen. Diese verpflichten die Staaten konkret, sogenannte nationale "Kernkapazitäten" für die Bekämpfung medizinischer Miss- und Desinformation aufzubauen.
Außerdem sollen die Staaten in Verhaltensforschung investieren, um Faktoren zu ermitteln, die die Einhaltung medizinischer und nicht-medizinischer Maßnahmen und das Vertrauen in "die Wissenschaft" und Gesundheitsinstitutionen fördern oder aber unterminieren. Die WHO soll die Staaten dabei unterstützen und kann damit ihr während des Cofid-19-PHEIC beträchtlich ausgebautes Infodemie-Management-Programm aktiv weiter betreiben. Konkret bedeutet dies, dass wir alle zunehmend mehr Nudging-Taktiken in der Gesundheitspolitik ausgesetzt sein werden.
Fazit
Der neue Pandemievertrag militarisiert, technokratisiert und zentralisiert den Umgang mit Infektionskrankheiten weiter und verankert ihn fest im internationalen Pandemierecht. Außerdem verpflichtet er die Nationalstaaten zur Verschiebung ihrer Ressourcen in Richtung Bioüberwachung und Entwicklung von Pandemieprodukten.
Die WHO hat jedoch - wie viele ihrer Mitgliedstaaten, die wirtschaftlichen, sozialen und gesundheitlichen Folgen der von ihr empfohlenen militarisierten medizinischen und nicht-medizinischen Gegenmaßnahmen gegen den Covid-19-PHEIC nie gründlich untersucht und kritisch aufgearbeitet.
Jedoch ist unstrittig, dass die massiven Investitionen, die der neue Pandemievertrag (und die geänderten IGV) vermutlich in die Forschung und Entwicklung, die Notfallzulassung, die globale Produktion, Verteilung, Lieferung und Verabreichung von "Pandemieprodukten" spülen wird, die großen pharmazeutischen Unternehmen sehr freuen wird.
Die Verbindungen zwischen Industrie, WHO und nationalen wie regionalen Gesundheits- und Forschungseinrichtungen werden über den neuen Pandemievertrag weiter gestärkt. Der Vertrag enthält keine Bestimmungen, ob und wie die WHO, ihre Mitgliedstaaten, die privaten-öffentlichen Partnerschaften oder aber pharmazeutische Unternehmen für Schäden, die ihre Pandemiemaßnahmen und -produkte hervorrufen, zur Verantwortung gezogen werden können.
Auch ob die internationale Verrechtlichung militarisierter Ansätze zur Prävention und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten mit staatlichen Schutzverpflichtungen unter den internationalen und regionalen Menschenrechtsverträgen sowie dem nationalen Grundrechteschutz vereinbar ist nicht beantwortet.
Der obige Text folgt inhaltlich den u. g. Quellen. Er wurde dabei stark gekürzt und redaktionell bearbeitet.
https://archive.is/TB5jA#selection-1236.0-1450.4
https://www.cicero.de/kultur/der-neue-who-pandemievertrag-gesundheitspolitik-impfstoffe-corona
Die Globale Gesundheitssicherheitsdoktrin (GHS) haben Amrei Müller und Silvia Behrendt hier im Detail analysiert)