Das war nicht anders zu erwarten: Mit der Veröffentlichung der geschwärzten Protokolle des RKI-Krisenstabs konnte kaum ein alternatives Medium auf die Berichterstattung zu diesem Thema verzichten. Eine große Welle von Veröffentlichungen flutete den Markt.
Zunächst ging es um „Mister X“. Wer war der geheimnisvolle Signalgeber, der den Startschuss für die Hochskalierung des vermeintlichen Risikos gab und damit allen Maßnahmen die Grundlage bot? Diese Frage ist noch nicht namentlich beantwortet. Karl Lauterbach sagt, es sei ein Mitarbeiter.
Zeitgleich wurde nach Widersprüchen gesucht. Widersprüche zwischen den internen Einschätzungen des Krisenstabs zur Gefährlichkeit des Virus oder der Sinnhaftigkeit der Maßnahmen einerseits und der nach außen kommunizierten, offiziellen Linie des RKI andererseits. Hier ist man schon vielfach fündig geworden. Nachzulesen oder nachzuhören z.B. bei https://www.nius.de/corona/die-geheimen-corona-akten-alles-was-als-verschwoerungstheorie-galt-bestaetigte-das-rki-hinter-verschlossenen-tueren/b289db37-5159-4df6-be7e-82525e14b2db.
Oder bei Prof. Stefan Homburg: https://fassadenkratzer.wordpress.com/2024/04/02/funf-corona-lugen-des-rki-auf-politische-weisung-analysiert-von-prof-homburg/ | https://www.youtube.com/watch?v=8eISUt_n1Ow
Sein Resumé:
„Die öffentlichen Äußerungen des RKI beruhen, anders als seine interne Arbeit, nicht auf Wissen-schaft, sondern auf politischer Gefolgschaft. Die Politik gibt vor, was sie will (…) und das RKI liefert dann scheinbare Legitimation. Medien und vor allem Gerichte sollten umdenken und das RKI nicht als eine unabhängige Sachverständigen -Institution betrachten, sondern als das, was es ist: nämlich ein weisungsgebundenes Bundesinstitut, das jederzeit das sagen muss, was die Bundesregierung will.“
Und jetzt verstehen wir auch Lothar Wielers Ausspruch vom 28.07.2020 viel besser. Er hat gesagt: „Diese Maßnahmen dürfen niemals hinterfragt werden“
Einen besonderen Aspekt hat der Nordkurier beleuchtet, nämlich den nach der Kenntnis des RKI von (gefährlichen) Impfnebenwirkungen. Hier gibt es in den Protokollen besonders viele Schwärzungen, die ihrerseits von der Rechtsanwaltskanzlei, die das RKI vertritt, begründet wurden. Eine Durchsicht dieser Begründungen entschärfen laut Nordkurier die Brisanz nicht - im Gegenteil. So wurde z.B. auf „vertraulich übermittelte Informationen“ verwiesen, „deren Bekanntwerden zu außenpolitischen Verwerfungen mit den entsprechenden Staaten führen könnte“ oder auf „Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse des betroffenen Pharmaunternehmens“ (https://www.nordkurier.de/politik/geschwaerzte-rki-files-vermehrtes-auftreten-von-nebenwirkungen-2387877).
Die Schlussfolgerung liegt wohl auf der Hand: Das RKI wusste oder ahnte, was es tat. Das heute immer wieder vorgebrachte Argument, mit dem Wissen von heute hätte man damals anders entscheiden können, zieht nicht.
Die eigene Rolle der Mainstream-Medien wurde nur selten kritisch betrachtet. Die Berliner Zeitung allerdings forderte Konsequenzen für den Journalismus. Keine große Redaktion habe für eine Veröffentlichung der Dokumente gesorgt: https://www.berliner-zeitung.de/gesundheit-oekologie/rki-protokolle-sollten-konsequenzen-haben-als-erstes-fuer-den-journalismus-li.2200321.
Unübersehbar dagegen war, dass in der Berichterstattung mancher Mainstream-Medien ein altes Thema fortgesetzt wurde, nämlich das der Diffamierung und versuchten Marginalisierung der alternativen Medien, insbesondere des Online-Magazins „Multipolar“.
Damit aber nicht genug. Die Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt mahnte in einem Interview, eine Aufarbeitung solle nicht missbraucht werden, um Handelnde in Politik, Ärzteschaft, Wissenschaft zu diffamieren. Es besorge sie, „wie mit der Pandemie noch heute Stimmung gegen unsere parlamentarische Demokratie gemacht“ werde.
Nun – so versucht man wohl, sich aus der Schusslinie zu bringen. Und außerdem wird die gute alte Demokratie gleichgesetzt mit dem aktuellen Regierungshandeln. Kritik an letzterem bedeutet Stimmung gegen erstere zu machen. Raffiniert, aber inzwischen ziemlich abgenutzt.
Weniger geradlinig, aber vom Grundton her ähnlich ist Prof. Alena Buyx unterwegs, die Vorsitzende des Deutschen Ethikrates. Der Deutschlandfunk hat ein Interview mit ihr Online gestellt, aus dem man viel lernen kann. Unter anderem, wie man inhaltliche Dürftigkeit mit vielen Worten verbrämt. Aber geschenkt. Man hört ihr ja trotzdem zu. Besonders gefällig ist da Vladimir Balzer, der Stichwortgeber vom Deutschlandfunk, der prachtvoll unter Beweis stellt, wie reformbedürftig seine Anstalt ist.
Los geht es mit den Maßnahmen, die nach Balzer „natürlich die Gesundheit Hunderttausender geschützt“ hätten, aber auch einen heftigen Einschnitt in eine liberale Gesellschaft darstellten. Die Antwort, für die Frau Buyx 15 Zeilen benötigt hat, lautet: „… ich finde das sehr wichtig, sich das jetzt genau anzuschauen.“
Nächste Frage: „Wie war denn nun die Verhältnismäßigkeit zwischen Gesundheitsschutz und den politischen, gesellschaftlichen Kollateralschäden?“
Hier kommt Frau Buyx nach 17 Zeilen zu dem Schluss, „dass es hier und da wirklich problematische Dinge gab, (…) da war die Verhältnismäßigkeit (…) , beispielsweise wenn eine Maßnahme recht lange lief und (…) schon hätte aufgehoben werden können, nicht mehr gegeben, aber insgesamt schon.“
Nach einem kleinen Exkurs über Schulschließungen stellt Balzer seine nächsten sogenannte Frage: „(…) Politik hatte, glaube ich, damals das Problem, zum Teil im Nebel stochern zu müssen. Was bedeutet das für die Demokratie? Das war ja für viele wie so (..) ein politischer Ausnahmezustand.“
Das ist dann die Steilvorlage für Buyx` Vision vom „Aufarbeiten, Lernen, Heilen“. Sie sage das schon so lange und als es dann endlich soweit war, „kam der Überfall auf die Ukraine“.
Und wenn man bei der Aufarbeitung nur auf die Maßnahmen schaue, sei das zu eng. Die Erfahrung, in einer Pandemie zu leben, sei eine existenzielle Erfahrung gewesen. Studien auch in Italien und auch in Schweden belegten das. Es gehe um psychische Gesundheit. Und die ganzen Fake News, die Infodemie „die haben auch etwas mit uns gesellschaftlich gemacht“. Es gehe auch darum, „anzuerkennen, wie grässlich das alles war, (…) da müsste man etwas tun. Da bräuchte man symbolische Dinge“.
Der gute Herr Blazer bringt dann hilfreich das Thema „Einsamkeit“ ins Spiel, das – man höre und staune - der Deutsche Ethikrat zum Thema der diesjährigen Jahrestagung macht. Es gebe nämlich Studien, die zeigen, dass Menschen, die einsam sind, „anfälliger sind für Manipulation, anfälliger sind für extreme politische Überzeugung bis hin zu Verschwörungserzählungen“. Und es gebe „echt richtig gute Konzepte so auf Nachbarschaftsebene und eben, wie kann man aktivieren, wie kommt man gerade an die Gruppen heran, die extrem schwer zu erreichen sind.“ (O-Ton Buyx)
Weiter geht es mit emotional-psychischen Aspekten, denn „Wir sind eine belastete Gesellschaft in der Dauerkrise, und das wird so bleiben.“ Deshalb müssten wir „in die positiven Emotionen gehen. Die angstbesetzen Botschaften, das machen die anderen, und zwar sehr erfolgreich. Da muss man sich klarmachen, wir müssen das andere machen, wir müssen das Zusammenhaltende, das Stärkende, das Schützende, das Positive, das Zuversichtliche, das Mutige, ja, vielleicht auch mal das Witzige, also einfach die vielen positiven Emotionen, die man dann ja auch aktivieren kann, das müssen wir, glaube ich, ein bisschen mehr bedienen. Und ich sehe, dass das zum Teil ankommt.“
Wenn mich die Inquisition zu einem Grillabend einlüde – ich könnte nicht erfreuter sein.
Und an die Medien hatte Frau Buyx einen besonderen Rat:
Anlässlich einer Veranstaltung des Presseclubs München am 22.11.2023 formulierte Frau Dr. Buyx eine verklausulierte Drohung an die Systemmedien, falls diese nun plötzlich beginnen würden, zu recherchieren und vollständig über die Pandemie zu berichten. Ein kurzer Video-MItschnitt daraus verbreitete sich in den letzten Tagen viral.
Intonation und Gestik von Frau Buyx sind sehr interessant und hoffentlich in einigen Jahren ein Forschungsgegenstand in der Aufarbeitung. Sie scheint (…) durchaus zu wissen, was während dieser „Pandemiebewältigung“ alles schiefging – speziell in Hinblick auf antidemokratische, grundrechts-einschränkende Prozesse. Dass all dies auf den Tisch kommt, würde ihrer eigenen Reputation massiv schaden. Und somit gibt diese Dame, die sich während all der Corona-Zeit als Erfüllungsgehilfin und Hardlinerin positioniert hat, ganz klare Handlungsanweisungen an die Medien: Wer nicht weiterhin stillschweigt, wird am Ende mit drinnen hängen. (…)
Frau Buyx sagt gerichtet an die anwesende Presse (in etwas breiterem Kontext): "(…) Und im Übrigen - Sie wären da ja nicht außen vor, das wissen Sie ganz genau. Also, das würde ja die Medienschaffenden ganz genauso betreffen, der öffentlich-rechtliche Rundfunk und was weiß ich. Sie sind ja … Da soll Zweifel gesät werden, das ist meine Sorge, dass das genutzt würde, dass Zweifel gesät wird an diesen demokratischen Institutionen, an der Politik insgesamt (besonders energische, fahrige Gestikulation, Anm.) Es war alles falsch, war alles böse, Sie haben alle falsch berichtet, Sie hatten alle den Maulkorb, es war, Sie waren gleichgeschaltet und so. (…)"
In Folge erklärt Buyx den anwesenden Medienvertretern, welche Berichterstattung sie sich von ihnen erwartet: „Ein positives Narrativ“.
Quelle:
https://report24.news/ethikrat-vorsitzende-buyx-drohte-den-medien-ihr-haengt-mit-drin-wenn-ihr-zu-berichten-beginnt/ (27. März 2024)
Videoausschnitt „Drohung an die Medien“ https://twitter.com/El_Haginho/status/1772744181733048545
Zu guter Letzt: Multipolar stellte beim RKI einen weiteren IFG-Antrag auf Veröffentlichung aller anschließenden Protokolle ab Mai 2021. „Es geht darum, volle Transparenz über die Entscheidungsfindung beim RKI in der Corona-Zeit zu erhalten, nicht nur in der Amtszeit von Jens Spahn, sondern auch in der von Karl Lauterbach.“ (https://multipolar-magazin.de/meldungen/0036)
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