Die WHO muss die Rechtsstaatlichkeit respektieren

Die Verhandlungen über die Formulierungen im WHO  Pandemievertrag und den Änderungen in den Internationalen Gesundheitsvorschriften (IGV) hätten gemäß den Regularien schon im Jänner abgeschlossen sein müssen. Da es viel Widerstand gibt wurde jedoch weiter verhandelt, wobei es immer wieder Unklarheit über die gerade aktuelle Fassung gab. Darauf haben immer wieder Politiker und Parlamentarier aufmerksam gemacht.

Nun hat der Abgeordnete des US-Kongresses Chris Smith ein Schreiben verfasst, das vor der 77. Weltgesundheitsversammlung vom 27. Mai bis 1. Juni 2024 direkt an Tedros Ghebreyesus übergeben wird. Dieses Schreiben ist für gewählte Politiker bestimmt, die es unterzeichnen sollen.

Der Kongressabgeordnete Chris Smith ist das ranghöchste Mitglied des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten des Repräsentantenhauses und außerdem Vorsitzender des Unterausschusses für globale Gesundheit, globale Menschenrechte und internationale Organisationen des Repräsentantenhauses.

Unter der Leitung des US-Kongressabgeordneten Chris Smith ruft diese Initiative gewählte Vertreter in aller Welt dazu auf, die Weltgesundheitsorganisation (WHO) aufzufordern, das Pandemieabkommen und die Änderungen der Internationalen Gesundheitsvorschriften (IGV) entweder aufzuheben oder zu verschieben.

Diese Maßnahme ist von entscheidender Bedeutung, da die WHO die viermonatige Meldefrist gemäß Artikel 55 Absatz 2 der IHR und anderer Vorschriften der Weltgesundheitsversammlung nicht eingehalten hat.

Zunächst die deutsche Übersetzung des Textes und dann das Original:

Sehr geehrter Herr Dr. Tedros, Generaldirektor der Weltgesundheitsorganisation,

wir schreiben Ihnen, um unsere tiefe Besorgnis über den Umgang der WHO mit den Änderungen der Internationalen Gesundheitsvorschriften (IGV) und der Ausarbeitung des Pandemievertrages zum Ausdruck zu bringen.

Als Generaldirektor der WHO vertreten Sie die Ideale der Vereinten Nationen, zu denen auch die Schaffung von Bedingungen gehört, unter denen Gerechtigkeit und die Einhaltung von [Vertragsverpflichtungen] und anderen Quellen des Völkerrechts aufrechterhalten werden können“[1] Das weltweite Streben nach Frieden und Menschenrechten ist in der Rechtsstaatlichkeit verankert, und in der Tat herrschen ohne Rechtsstaatlichkeit Tyrannei und Unterdrückung.

Es ist daher unerlässlich, dass Sie selbst bestehende Verträge und internationale Gesetze einhalten.

Artikel 55 Absatz 2 der IHR schreibt vor, dass der Text eines Änderungsvorschlags mindestens vier Monate vor der Gesundheitsversammlung, in der er geprüft wird, übermittelt werden muss[2]. Die Behauptung, dass die Verbreitung eines ersten Entwurfs im Februar 2023 diese Anforderung erfüllt, obwohl die Verhandlungen noch laufen, ist absurd. Ebenso unvernünftig ist die Behauptung, diese Anforderung gelte nur für den Generaldirektor und die Mitgliedstaaten, nicht aber für die von ihnen eingesetzte Arbeitsgruppe, obwohl der Artikel keine solche Unterscheidung trifft. Beide Argumente zeigen eine eklatante Missachtung sowohl des Geistes als auch des Wortlauts des Gesetzes.[3]

Auch die Geschäftsordnung der Weltgesundheitsversammlung (WHA) verbietet in den Nummern 8, 10, 11 und 15 übereilte Vereinbarungen ohne gebührende Sorgfalt[4]. Darüber hinaus wurde die in Artikel 14 enthaltene Forderung nach vollständiger Offenlegung aller Verpflichtungen, einschließlich finanzieller Verpflichtungen, grob verletzt, indem entscheidende Details auf einen späteren Zeitpunkt verschoben wurden.[5] Dies zwingt die Mitgliedstaaten im Wesentlichen dazu, einen Blankoscheck zu unterzeichnen.

Darüber hinaus wird die übereilte Verabschiedung mehrerer Instrumente mit sich überschneidenden technischen, administrativen und finanziellen Anforderungen unweigerlich zu Verwirrung führen und könnte die künftigen globalen Gesundheitsbemühungen ernsthaft untergraben. Dies unterstreicht, wie wichtig es ist, die Mindestfrist von vier Monaten einzuhalten.

Abgesehen von den Bedenken hinsichtlich des Zeitplans und der Notifizierung hängt die Legitimität eines jeden Abkommens im Wesentlichen davon ab, dass es die folgenden Grundprinzipien der Rechtsstaatlichkeit einhält:

  1. Gültiges Abstimmungsverfahren: Eine authentische namentliche Abstimmung mit einer Zweidrittelmehrheit muss dokumentiert und überprüfbar sein.[6] Ohne diesen Nachweis ist jede „Vereinbarung“ null und nichtig.[7]
  2. Klarer und endgültiger Wortlaut: Die Bedingungen einer Vereinbarung müssen in dem Dokument selbst ausdrücklich festgelegt werden. Es ist inakzeptabel, offene Formulierungen zu verwenden, die wichtige Entscheidungen auf nicht rechenschaftspflichtige Ausschüsse verschieben[8].
  3. Von den Mitgliedern geführte Verhandlungen: Die Rolle des Präsidiums sollte lediglich darin bestehen, Diskussionen zu erleichtern, nicht aber, Ergebnisse zu diktieren. Die Verhandlungen müssen transparent und integrativ sein und den Kapazitäten aller Delegationen, insbesondere derjenigen aus kleineren Ländern, Rechnung tragen. Ad-hoc-Verhandlungen ohne vorherige Ankündigung oder Übersetzung verstoßen gegen die Grundsätze des Völkerrechts.[9]

Die Ausnutzung möglicher Pandemien als Vorwand, um gegen die Grundsätze des verantwortungsvollen Regierens zu verstoßen, untergräbt das Vertrauen und unterminiert die internationale Zusammenarbeit, wenn sie am dringendsten benötigt wird.

Die Verabschiedung neuer Änderungen der IHR oder des vorgeschlagenen Pandemievertrags auf der bevorstehenden 77. Weltgesundheitsversammlung würde gegen das Recht verstoßen. Sollten Sie fortfahren, wäre jedes daraus resultierende Abkommen sofort null und nichtig. Die Befolgung dieser Grundprinzipien der guten Regierungsführung wird hingegen das Engagement der WHO für die globale Gesundheit und die Rechtsstaatlichkeit demonstrieren.

Mit freundlichen Grüßen,

Abgeordneter Chris Smith

The following letter will be delivered to the WHO Director General Tedros Adhanom Ghebreyesus:

World Health Organization
H.E. Dr. Tedros Adhanom Ghebreyesus
Office of the Director General
Avenue Appia 20
1211 Geneva, Switzerland

Dear Dr. Tedros, Director-General of the World Health Organization,

We write to express profound concern over the WHO’s handling of amendments to the International Health Regulations (IHR) and the drafting of the pandemic treaty.

As Director-General of the WHO, you represent the ideals of the United Nations, including “establish[ing] conditions under which justice and respect for [treaty obligations] and other sources of international law can be maintained.”[1] The global pursuit of peace and human rights is anchored in the rule of law and, indeed, without the rule of law, tyranny and oppression prevail.

It is thus imperative that you honor existing treaties and international laws yourself.

Article 55(2) of the IHR mandates that the text of any proposed amendment be communicated at least four months before the Health Assembly where it will be considered.[2] Claiming that the dissemination of an initial draft in February 2023 meets this requirement, despite ongoing negotiations, is absurd. Equally unreasonable is the assertion that this requirement applies only to the Director General and Member States, not the working group they appointed, when the Article makes no such distinction. Both arguments show a blatant disregard for both the spirit and the letter of the law.[3]

The World Health Assembly (WHA) Rules of Procedure numbers 8, 10, 11, & 15 also prohibit rushing agreements without due diligence.[4] Additionally, Rule 14’s requirement for full disclosure of all obligations, including financial obligations, has been grossly violated, with crucial details deferred until some future time.[5] This essentially forces Member States to sign a blank check.

Moreover, the hasty adoption of multiple instruments with overlapping technical, administrative, and financial requirements will inevitably lead to confusion and could seriously undermine global health efforts going forward. This underscores the critical need to adhere to the four-month minimum requirement.

Besides the concerns about timing and notification, the legitimacy of any agreement fundamentally relies on its adherence to the following fundamental principles of the rule of law:

  1. Valid Voting Process: An authentic roll-call vote with a two-thirds majority present must be documented and available for verification.[6] Without this proof any “agreement” is null and void.[7]
  2. Clear and Final Wording: The terms of any agreement must be explicitly defined within the document itself. It is unacceptable to use open-ended wording that defers crucial decisions to unaccountable committees.[8]
  3. Member-Led Negotiations: The bureau’s role should be solely to facilitate discussions, not dictate outcomes. Negotiations must be transparent and inclusive, accommodating the capacities of all delegations, especially those from smaller countries. Ad-hoc, concurrent negotiations without proper notice or translation violate the principles of international law.[9]

Using potential pandemics as a pretext to violate the principles of good governance erodes trust and undermines international cooperation when it is most needed.

Proceeding with the adoption of new amendments to the IHR or the proposed pandemic treaty at the upcoming 77th World Health Assembly would be contrary to law. Should you proceed, any resulting agreement will immediately be null and void. Conversely, following these basic principles of good governance will demonstrate the WHO’s commitment to global health and the rule of law.

Sincerely,

Representative Chris Smith

Anmerkungen:

1 UN Charter Preamble: https://www.un.org/en/about-us/un-charter/full-text.

2 WHO International Health Regulations, Article 55(2): https://www.who.int/health-topics/international-health-regulations#tab=tab_1.

3 See International Health Regulations: amendments: 17 April 2024 Q&A: https://www.who.int/news-room/questions-and-answers/item/international-health-regulations-amendments

4 Rules of Procedure of the World Health Assembly: https://apps.who.int/gb/bd/pdf_files/BD_49th-en.pdf#page=179.

5 Rules of Procedure of the World Health Assembly: https://apps.who.int/gb/bd/pdf_files/BD_49th-en.pdf#page=179.

6 Rules of Procedure of the World Health Assembly: https://apps.who.int/gb/bd/pdf_files/BD_49th-en.pdf#page=179.

7 Letter to the WHO from 12 Members of the European Parliament, 28 November, 2023, https://twitter.com/Rob_Roos/status/1729563358485962784

8 Revised draft of the negotiating text of the WHO Pandemic Agreement, 13 March 2024, https://apps.who.int/gb/inb/pdf_files/inb9/A_inb9_3-en.pdf.

9 WHO: INB Bureau Co-Chair attempts to shut down Africa Group’s benefit sharing proposals: 3 May 2024: https://twn.my/title2/health.info/2024/hi240505.htm; Open Letter to the Director General of the World Health Organization, Feminists for a People’s Vaccine, 26 April 2024, https://twn.my/announcement/20240428_Open-Letter-to-the-Director-General-of-the-World-Health-Organization_FINAL.pdf. (hier auch herunterladbar) 

Quelle:
https://tkp.at/2024/05/23/die-who-muss-die-rechtsstaatlichkeit-respektieren/ (23. Mai 2024)